Bericht der
Dorstener Zeitung
vom 08.02.11
Nur ein Zufall brachte Dorsten und das französische Ernée vor
fünf Jahrzehnten zusammen
In
unserer Serie über Dorstens Partnerstädte stellen wir heute Ernée vor. Die
kleine Stadt im Westen Frankreichs zählt ca. 5700 Einwohner und markiert den
Grenzbereich zwischen den ehemaligen Herzogtümern Bretagne und Normandie.
Deshalb bezeichnet sie sich selbst als „ Porte de la Bretagne“ , Tor zur
Bretagne. Reich an (Apfel) Wiesen, Wäldern und Viehweiden hat sie auch viele
historische Kleinode zu bieten: Um die Église NotreDame aus dem 17. Jahrhundert
mit sehenswertem Marmoraltar sowie vergoldetem Tabernakel gruppiert sich der
hübsche Stadtkern. Schöne alte Bürgerhäuser – aus Granit gemauert und mit
Schiefer gedeckt – reihen sich entlang der Hauptstraße. Das Schloss Pannard (16.
Jh.) thront inmitten einer gepflegten Parklandschaft auf einem Hügel im Norden
der Stadt. Die Chapelle de Charné aus dem 12. Jahrhundert begeistert mit Resten
schöner Wandmalereien (15. Jh.) und einer bemalten, holzgeschnitzten Statue. Wer
über Land in die Bretagne reist, wird auf der Nationalstraße 12 (RN 12) Paris
Brest direkt durch Ernée geführt. Auch die Strecke der Tour de France führte
schon mehrfach mitten über den Martkplatz der Stadt
Mit mehr als 100 bunten Figuren bemalte die Dorstener
RegenbogenWerkstatt im Juli 2009 eine Wand in Ernée.
Dorstener Feuerwehr, Schüler und
Vereine halten die Partnerschaft zu Ernée lebendig
Freundschaft mit Genuss
DORSTEN. Mit
einem geklauten Rucksack am Ausflugslokal Freudenberg fing die Chose 1960
an. Dass diese unerfreuliche Begebenheit in eine wunderbare Freundschaft münden
würde, die 1985 sogar als offizielle Städtepartnerschaft besiegelt wurde,
konnten damals weder der französische Student, Jacques Cousin, noch der
Dorstener Jugendamtsleiter Josef Grawe wissen.
Eigentlich wollte Jacques Cousin am Freudenberg nur schnell eine
kleine Erfrischung zu sich nehmen und schon war das Gepäck inklusive aller
Papiere futsch. Josef Grawe, damals Leiter des Dorstener Jugendamtes, wurde als
Dolmetscher engagiert und kümmerte sich rührend um den jungen Franzosen,
erzählen Gudrun Thelen und Arno Hartmann, denen als Vorsitzende der
DeutschFranzösischen Gesellschaft (DFG) die Pflege der beiden französischen
Städtepartnerschaften Dorstens besonders am Herzen liegt: Gudrun Thelen mit dem
Schwerpunkt Ernée, Arno Hartmann mit dem Schwerpunkt Dormans. Nach Erledigung
der erforderlichen Formalitäten ließ Josef Grawe es sich nicht nehmen, Jacques
Cousin persönlich nach Hause zu fahren und so landete der Dorstener in dem
schnuckeligen Ernée. Er traf dort mit Bürgermeister Ballayer zusammen, und beide
vereinbarten einen Jugendaustausch, berichtet Gudrun Thelen. Der kam auch
schnell in Schwung: Bereits ein Jahr später schauten sich die ersten Gäste aus
Ernée in Dorsten um, 1962 fand der Gegenbesuch aus der Lippestadt in Ernée
statt. Dass die Freundschaft über all die Jahre so lebendig geblieben ist, liegt
vornehmlich an den Vereinen, benennt die Französischlehrerin im Ruhestand die
tragenden Säulen: Seit 1978 unterhält die Freiwillige Feuerwehr Dorsten regen
Kontakte zu ihren französischen Kollegen. Feste Beziehungen bestehen auch
zwischen dem Tambourcorps DorstenHardt und der Musique Municipale sowie zwischen
dem Liederkranz Wulfen und der Chorale Municipale. 1986 startete dann der
Schüleraustausch zwischen der GerhartHauptmannRealschule und dem privaten
Collège St. Joseph. Doch erst zur Silberhochzeit wurde die wilde Liaison mit
einer offiziellen Städtepartnerschaft legalisiert. Im April 1985 reiste eine
Dorstener Delegation um Bürgermeister Heinz Ritter und Stadtdirektor Dr.
KarlChristian Zahn nach Ernée, um die Urkunde zu unterschreiben. Zum
Altstadtfest im selben Jahr stießen die Freunde dann wenige Wochen später in
Dorsten auf die gelungene Jumelage an. Mit regelmäßigen Treffen hält auch die
1976 in Dorsten gegründete DeutschFranzösische Gesellschaft (DFG) die
blauweißrote Trikolore hoch: Alle zwei Jahre beteiligen wir uns an dem Markt,
der jährlich am ersten Septemberwochenende anlässlich des Patronatsfestes St.
Gregoire in Ernée stattfindet, erzählt Gudrun Thelen.
Savoir vivre Mit frischem, dampfenden Brot aus
Dorstens Backstuben, einigen Flaschen Bier, Lebkuchen und Stollen im Gepäck
klettern die FrankreichFreunde an Bord des Busses, der Richtung Ernée rollt, um
dort am Marktstand Appetit auf deutsche Produkte zu machen. Glühwein für den
Weihnachtsmarkt ist auch sehr gefragt, hortet Gudrun Thelen die Restbestände des
Heißgetränks im Winter, um sie im kommenden September nach Ernée zuschaffen.
Tja, die Franzosen wissen bekanntlich zu leben. Ein Stückchen Savoir vivre
pflegen die Mitglieder der DFG auch im deutschen Dorsten: Alle Jahre wieder im
November genießen sie bei ihrem PrimeurAbend ein leckeres Tröpfchen mit
schmackhafter KäseBegleitung.
Anke KlapsingReich
„
Dass die Freundschaft über
all die Jahre so lebendig geblieben ist, liegt vornehmlich an den Vereinen."
Gudrun Thelen
Bürgermeister Ritter (l.) und Bürgermeister Ballayer besiegeln
1985 die Städtepartnerschaft, die „ Jumelage“ , zwischen Dorsten und Ernée.
Foto Archiv
Beliebter Ausflugsort: Die denkmalgeschützte Chapelle de Charné
(12. Jh.) in Ernée beherbergt Reste wunderschöner Wandmalereien aus dem 15.
Jahrhundert. Foto privat
Tolles
Fest zum Jubiläum
DORSTEN.
Pfingsten 2010
beansprucht in der Geschichte der Städtepartnerschaft Dorsten – Ernée einen
besonderen Platz: „Da haben wir drei Tage lang mit allen Beteiligten in Dorsten
den 25. Geburtstag unserer Städtepartnerschaft gefeiert“, denken Gudrun Thelen
und Arno Hartmann gerne an dieses Ereignis zurück. 150 Gäste aus Ernée – so
viele wie nie zuvor – reisten in die Lippestadt, um an den Festveranstaltungen
teilzunehmen. Die offizielle Feier ging im Gymnasium Petrinum mit Ansprachen
beider Bürgermeister, Gérard Lemonnier und Christel Briefs, über die Bühne. Rund
320 Personen zählten die Veranstalter dann beim geselligen Partnerschaftsabend
im Gemeinschaftshaus Wulfen. Ausflüge ins Kulturhauptstadtjahr Ruhr.2010 zu
Tetraeder, Gasometer und Zeche „Zollverein“ standen am zweiten Besuchstag auf
dem Programm, bevor es Pfingstmontag wieder heimwärts ging. Dass diese Jubelfeier
auch den französischen Freunden in bester Erinnerung bleiben wird, bezeugen die
Einträge ins Gästebuch, wie dieser: „Liebe Freunde aus Dorsten, dieses 25.
Jubiläum kann kein Ernéer vergessen. Ihr habt uns ein so tolles Programm
vorbereitet. Alle kommen begeistert nach Hause zurück und können erzählen, was
die deutschfranzösische Freundschaft ist.“
sing
Die DeutschFranzösische Gesellschaft (DFG) pflegt den Kontakt zu den französischen Partnerstädten Dorstens, Ernée und Dormans,
ist Ansprechpartner für sie und beschäftigt sich auch allgemein mit Frankreich und der Freundschaft zum französischen Nachbarn. Die DFG versteht sich als Bindeglied zwischen der Stadt, den
Vereinen und den Schulen zu den Partnerstädten. Zurzeit zählt sie 85
Familien als Mitglieder. 1. Vorsitzende ist Arno Hartmann
(Verantwortlicher Dormans), Stellvertreterin und Verantwortliche für Ernée ist Gudrun Thelen.
www.dfg-dorsten.de
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